
Eines Tages beschloss Witali Bytschkow, auf Abenteuerreise zu gehen. Er nahm seine Freundin bei der Hand und sie marschierten los: Zu Fuss durch Europa. 4.300 Kilometer hat Witali in sieben Monaten zurückgelegt. Dabei hat er viel über sich herausgefunden: Warum er immer noch nicht müde ist, was Sicherheit für ihn bedeutet und wo er die größte europäische Offenheit fand.
Warum ist Wandern für dich Abenteuer?
Durch die kleinen Veränderungen, die du wahrnimmst. Sei es in Frankreich oder Spanien, wo man durch kleine Dörfer geht und nicht weiß, auf wen man trifft, wo man schlafen oder wie das Wetter sein wird. Das ist nicht planbar. Es war ein Abenteuer für mich, herauszufinden, ob ich alleine sein kann. Niemanden zu sehen, hören oder sprechen. Vorher wusste ich das nicht.
Wie hat sich das für dich angefühlt?
Am Anfang merkwürdig, aber dann sehr gut. Man kommt rein und erfährt eine gewisse Ruhe.
Was hast du in der Zeit gemacht, in der du dich einsam gefühlt hast?
Entweder man lenkt sich ab oder konfrontiert sich damit. Ich finde konfrontieren gut, weil man Gedanken zulässt und schaut, wie man damit umgeht. Das fühlt sich gut an.
Was genau ist daran gut?
Es ist eine Chance, diese Phase als besondere Zeit wahrzunehmen, man hat mehr Ruhe dafür.

Was waren deine prägendsten Erinnerungen?
Die Summe an Erfahrungen waren prägend und das sehr positive Weltbild, das ich bekommen habe. In sieben Ländern trifft man die verschiedensten Leute und es ist nie etwas Negatives passiert. Alle waren immer positiv, offen, neugierig und hilfsbereit. Das hat mich sehr überrascht.
Die Offenheit, ist das ein europäischer Charakterzug?
Ich denke, wir sind als Mensch grundsätzlich neugierig. Als ich zurück nach Deutschland kam, war ich mir sicher: jetzt wird es anders. Aber hier waren die Leute sogar am freundlichsten. Vielleicht lag es auch an der Sprache, das verbindet doch sehr. Weil ich jeden verstehe, konnte ich öfters in Gespräche einsteigen. Das war in Spanien nicht so leicht.
Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, so viele Strecken zu machen?
Ich wollte schon immer mal ein kleines Abenteuer machen. Nicht von Hostel zu Hostel reisen, sondern aus eigener Kraft irgendwo länger hin. Erst überlegte ich, mit dem Fahrrad zu fahren, aber das mag meine Freundin nicht so.

Was war immer in deinem Rucksack?
Der war ziemlich leer. Ein Zelt, ein Schlafsack, ein kleiner Topf … so Grundsachen hatte ich natürlich mit. Ansonsten: Drei Shirts, zwei Socken, eine Jacke, eine Hose, Ein Pullover. Das war es auch schon.
Wie hast du dich eigentlich auf die erste Reise vorbereitet?
Anfangs hab ich mir vorgenommen, mich körperlich vorzubereiten und mehr laufen zu gehen. Aber dann dachte ich ‘das wird sich schon ergeben’ und hab es nicht gemacht. Ich wollte auch Blogs lesen und auch das habe ich am Ende nicht gemacht. Ich war so busy damit, um mich herum alles abzuschließen, sodass ich mit ruhigem Gewissen weggehen kann, dass die Vorbereitung am Ende nicht intensiv war.
Hast du viel vorher geplant?
Das meiste habe ich von unterwegs geplant, da hat das Handy geholfen. Nachher hab ich mich gefragt, wie das wohl ohne technisches Hilfsmittel gewesen wäre. Roaming fällt weg, man kann die ganze Zeit surfen und muss niemanden ansprechen. Eigentlich schade, wie ich nachher feststellte.
Kannst du dir eine weitere Reise vorstellen?
Ja, ich möchte als nächstes von Porto nach Nordafrika gehen. Ich wollte immer so lange laufen, bis ich den Spaß daran verliere. Ich würde gerne einmal um Europa wandern, das sind circa 30.000 Kilometer. Von Portugal nach Nordafrika sind es schon mal 3.000 weitere Kilometer.
Was war die längste Strecke, die du am Stück gegangen bist?
Das war die letzte Etappe, von Gummersbach nach Köln, 60 Kilometer. Um 10 Uhr morgens stand ich auf, um 18 Uhr stand ich bei meiner Freundin vor der Tür. Meine Uhr zeigte 59,5 gegangene Kilometer an. Ich wollte aber die 60 genau voll haben, also bin ich noch eine weitere Runde um den Block gegangen.
Gleichzeitig hast du in der Zeit BWL studiert. Was bedeutet dir Sicherheit?
Ich habe meine Sicherheit in den Leuten um mich herum. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, Freunden und Bekannten. Ich würde immer irgendwo einen Job bekommen. Ein Netzwerk dem ich vertraue, ist meine Sicherheit. Nicht ein Kontostand.

Erlebst du auch unsichere Momente und fragst jemanden um Rat fragst? Wer wäre das?
Ich frage nicht aktiv nach, sondern versuche aus verschiedenen Gesprächen, die Dinge rauszuziehen, über die ich gerade nachdenke. Heute morgen habe ich mich mit einem Liedermacher getroffen, der schon lange Musik macht. Er ist 18 Jahre älter als ich und erzählte mir von seiner Vergangenheit und welche Pläne sich daraus für die Zukunft ergeben. Ich konnte Parallelen feststellen, die mir geholfen haben. Das habe ich aber nicht erfragt, das hat sich so ergeben.
Warum bist du in Köln?
Das hat sich ergeben, ich wollte nie aktiv in die Stadt. Vor ein paar Jahren lebte ich in Berlin und habe dort mit zwei Freunden eine Idee entwickelt. Die beiden kommen hier aus der Nähe und sind irgendwann wieder zurückgegangen. Wir haben zwei Jahre viel Energie und Ressourcen in die Idee reingesteckt, aber es hat einfach nicht funktioniert. Aber daraus wurde letztendlich die Plattform rausgegangen. Wir haben einfach viel probiert. Gleichzeitig wollte ich irgendwann raus aus Berlin und in eine neue Stadt. Ich habe nicht viel darüber nachgedacht. Finde ich es cool hier? Definitiv. Es ist super bodenständig und eine schöne Stadt.
Wenn ein Wanderer in Köln deinen Weg in Köln kreuzt und dich fragt, was er sich anschauen soll, was würdest du ihm empfehlen? Außer den Dom.
Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich würde herumwandern empfehlen und die Augen offen zu halten. Ich mag den Rheinauhafen sehr. Es ist schön, da einfach hoch und runter zu laufen. Gerade abends sind relativ wenig Leute dort und wenn die Sonne untergeht, wird es sehr düster und man ist alleine.
Worum genau geht es dir beim Wandern und Abenteuer erleben?
Ich weiß es nicht. Ich finde das Leben einfach grundsätzlich spannend: Was man machen kann oder wen man treffen kann. Aber ich habe keine Vision dafür. Es sind die kleinen Mikro-Erfahrungen, die man sammelt, die mich interessieren. “Siddharta” von Hermann Hesse hat mich sehr geprägt. Da zieht einer los und erlebt einfach ganz viele unterschiedliche Sachen. Irgendwann fühlt er, dass er am Ziel ist und zu seiner Erkenntnis gekommen ist. Suchen, ohne zu wissen was man findet, ist das Schöne in meinen Augen.
Im Moment ist Witali in Köln und unterstützt unter anderem Malte Schmidt bei dem Projekt “Pushups4Charity” — Malte ist gerade dabei 1 Million Liegestütze in einem Jahr zu machen, um damit 1 Million Euro für einen guten Zweck zu sammeln, alles unter dem Namen: pushups4charity.de. Nach 350.000 Stück hat er keine Lust mehr das alleine zu machen. Wenn ihr das Projekt näher kennen lernen, mitmachen oder unterstützen wollt, gibt es am 24.11.2019 die nächste Möglichkeit für euch: Beim Push Ups & Walk & Talk Event am Aachener Weiher. Es ist der Beginn einer mehrteiligen Eventserie.
AUF EINEN BLICK
Witalis Homepage — Website
Pushups 4 Charity — Website